Was wir hinter uns haben
Letztes Jahr noch beim „Bambini-Ultra“ auf dem
Heidschnuckenweg in der Lüneburger Heide gestartet (50km), wurde dieses Jahr
von Elke und Frank, den Veranstaltern, nur noch eine Distanz angeboten: 111km
durch die Lüneburger Heide, von Soltau bis nach Hamburg-Eißendorf, bis auf die letzten
12km auf dem Heidschnucken-Fernwanderweg. Da der Lauf mit sehr viel Verständnis
für Ultraläufer und viel Liebe zum Detail aber rein privat organisiert wird,
liegt die Teilnehmerzahl bei ganzen 20 Läuferinnen und Läufer. Was für ein Kontrastprogramm
zum Hamburg Marathon eine Woche vorher!!!
Wie immer wird nur das Nötigste eingepackt ;) |
Eine Herausforderung war schon, das Richtige zu packen und
den Drop-Bag, den ich bei Kilometer 60 deponieren lassen wollte, zu richten.
Aber essentielle Dinge, wie etwa eine Hautschutzcreme wegen Wundreiben und ein
Wecker (mein Start war in Soltau um 6 Uhr vorgesehen), durften auf keinen Fall
fehlen! Und aufgrund meiner Erfahrung beim HK100, und auch die von Racebooker
Danny, nahm ich noch eine Ersatz-Laufhose mit in den Laufrucksack. Wenn die
nämlich unterwegs kaputt geht, kann das schmerzhaft werden und bei einem Ultra auch zum Abbruch
führen.
Ja, überhaupt, nach dem DNF beim HK100 war für mich bei
diesem Lauf, bei dem ich an einem Stück zum ersten Mal die 100km überwinden
wollte, das Durchkommen und Erreichen des Ziels am Wichtigsten, um zukünftige
Ultras einfach selbstbewusster angehen zu können. Ich liebäugelte noch mit
einer Zeit von unter 16 Stunden, wusste aber, dass es knapp werden würde.
Immerhin kannte ich die Strecke nun ganz gut, war letztes Jahr zwei Mal den
Abschnitt von Soltau nach Buchholz gelaufen, und vor ein paar Wochen auch noch
den Abschnitt zwischen Buchholz und Hamburg Eißendorf. So konnte ich mir
hoffentlich ein paar zusätzliche Kilometer sparen, denn obwohl der Heidschnuckenweg
gut markiert ist, gibt es doch so manche Gelegenheiten, vom Weg abzukommen und
sich zu verlaufen.
Countdown zum 6-Uhr-Start |
Da der Start in Soltau um 6 Uhr morgens am Samstag, den 2.
Mai war, reiste ich bereits am Vortag per Heideexpress nach Soltau und
übernachtete in einem Hotel in Startnähe. Morgens war es echt sehr frisch,
gerade über 0 Grad, und nach und nach trudelten die Mitläufer ein.
Nicht ganz pünktlich, aber guter Dinge und voller Erwartung
auf eine sehenswerte Strecke ging es 6:15 Uhr los. Erst durch den Kurpark von
Soltau, dann an der Böhme entlang, am Heidepark vorbei, der noch auf Besucher
wartete. Die schnellen Läufer waren bald schon weg, und auch ich war ganz gut
unterwegs. Nach einer Stunde hatte ich die erste Wasserstelle bei Kilometer 11
erreicht, wohl wissend, sich keiner Illusion hinzugeben, ich könne diese
Geschwindigkeit auch nur annähernd über den Tag hinweg halten.
Frühmorgens läuft's noch gut |
Dann kamen die ersten Heideflächen, geniale Trails im
Quellgebiet der Luhe, und in Bispingen, bei Kilometer 23, erwartet uns der
erste Verpflegungspunkt mit geschmierten Frühstücksbrötchen, deren Menge und
Belag man schon vorab bestellen konnte.
Schöne Trails in der Gegend der Luhequelle |
Schäferdenkmal in Bispingen |
1. Verpflegungspunkt in Bispingen: Frühstück!!! |
Nördlich von Bispingen schon eins der landschaftlichen
Highlights der Strecke, die Borsteler Kuhlen, dann ging es weiter am Brunausee
vorbei, durch die Behringer Heide. Zwischen den Verpflegungsstellen gab es,
unterstützt durch die örtlichen Gastronomen, immer wieder „Wasserstellen“, wo
man sich erfrischen konnte. So nach und nach holte ich auch manche Mitläufer,
die um 5.30 Uhr gestartet waren, ein, und man hatte ja immer etwas Zeit zum
Quatschen dabei. Nach der Behringer Heide wieder ein langer, kontinuierlicher
Anstieg, aber ich wusste, dass es bis zum Kilometer 40, in Niederhaverbeck, wo
der 2. Verpflegungspunkt war, nicht mehr weit sein konnte. Hier hatte ich bei
meinen Läufen durch die Heide übernachtet, von dort waren es noch etwa 40
Kilometer bis Buchholz.
Trail bei den Borsteler Kuhlen |
In der Behringer Heide |
Heidedorf Wilsede |
Nach der Erfrischung ging der nächste Anstieg, auf den
Wilseder Berg, der höchsten Erhebung der norddeutschen Tiefebene los. Das
Wetter war lauftechnisch genial, trocken, bedeckt mit ein paar sonnigen
Abschnitten, und nicht zu warm. Kurz noch die schöne Aussicht genossen, dann
den „Berg“ wieder runter, durch das Heidedorf Wilsede durch, und den Pastor-Bode-Weg
entlang, ein sehr schöner Streckenabschnitt im Radenbachtal.
Alter Schafstall am Pastor-Bode-Weg |
Die Wanderer und Spaziergänger auf dem Wanderweg nahmen regen Anteil am Lauf, viele hatten sich schon bei den Läufern vor mir nach dem Wettkampf erkundigt und feuerten uns Heidschnuckenläufer tatkräftig an.
Ausblick im Radenbachtal |
So langsam gab es doch immer wieder Gehpausen, aber ich war
guter Dinge, bei so einem schönen Tag. Und schaute mir die Landschaft an und
hin meinen Gedanken nach. In der Ferne ein paar Heidschnucken mit ihrem
Schäfer. Wie hieß noch die Bibelstelle? „Der Herr ist mein Hirte, mir wir
nichts mangeln“. Hier wurde mir das besonders deutlich, was hinter diesem Bild
steckte. Wie sollte eine Heidschnucke im Flickenteppich von Heide, Wald und
Feldern, durchzogen von Straßen und einer Bahnlinie, ohne Schäfer zurechtkommen?
Gibt es da nicht Parallelen zu so einem Ultralauf, oder das eigene Leben, wenn
es scheint, man hat „alles im Griff“, aber doch etwas dazwischenkommt?
Gawan und Herrmann, die Vorjahressiger, sind im Anmarsch |
Kurz vor der Weseler Heiden reißen mich Gawan und Hermann,
die zwei 7-Uhr-Starter, aus meinen Gedanken. Hatte erwartet, dass sie mich
schon vorher überholen, aber, obwohl sie ja schon letztes Jahr den 111’er gelaufen
sind, haben sie sich irgendwo gehörig verfranzt. Vor uns war die Weseler Heide,
auch ein schönes Laufrevier. Und dann schließlich Kilometer 60, Undeloh-Wesel,
wo es im Gasthaus Heidelust Mittagspause bzw. Pasta (oder Kraftbrühe) für die
Heidschnucken-Läufer.
Bis hierher war ich zeitlich in meinem Plan, und auch die
ersten Kilometer nach Wesel im Seevetal liefen super, aber dann bekam ich so
ein Gefühl, als ob mir schlecht werden würde. Hatte ich zu schnell oder zu viel
gegessen (oder beides?)? Daran ließ sich nichts mehr ändern, fühlte mich beim
Gehen aber wesentlich besser. Also, doch besser einen Verdauungsspaziergang
einlegen, als später vielleicht? Zudem ich ja auch die aufgenommenen
Kohlehydrate verwerten wollte! OK, also doch Gehen, aber ich kam voran! Und
nach 3 bis 4 Kilometer ging es mir wieder besser, und ich trabte wieder weiter.
Mittauspause im Gasthof Heidelust in Undeloh-Wesel |
Seevetal |
Trotzdem konnte ich am Verpflegungsunkt Holm-Seppensen kaum etwas
essen, aber der Brunsberg und Buchholz waren nicht mehr fern. Dort in Buchholz
gab es beim Ehepaar Pechtl die berühmteste „Wasserstelle“ des
Heidschnuckenultras: Denn hier gab es bei weitem nicht nur Wasser!
Nun ging’s in den letzten Abschnitt des Laufs, 85 Kilometer
waren geschafft! Von der Fußgängerbrücke über die Bahngleise konnte ich sehen,
dass demnächst wieder ein Metronom nach Bremen fahren würde, ließ mich dadurch
aber nicht beirren.
Bahnhof Buchholz |
Nördlich von Buchholz ging es kontinuierlich über Dibbersen
und Nenndorf bergaufwärts in Richtung Harburger Berge. Nun musste ich doch
meist gehen, aber die Stimmung blieb trotzdem gut. Den Sendemast in Langenrehm
nahm ich zur Orientierung. Dort gab es den letzten Verpflegungspunkt. Und dort
würden wir den Heidschnuckenweg in Richtung Harburg verlassen! Die tief
stehende Sonne blinzelte noch durch die Laubwälder, und nach einem ausgiebigen
Verpflegungsstopp (denn hier gab es die berühmten selbstgebackenen Müsliriegel!)
an der 100km-Marke vorbei, durch die Ortschaften der Gemeinde Rosengarten (oh,
ganz schön welliges Gelände hier), und ab Vahrendorf dann Richtung Harburg
durch einen dunklen Waldweg, und dann noch die „Große Straße“ 2km entlang, und
schliesslich dann nach 16 Stunden und 24 Minuten im Ziel! Hurra, geschafft! Was für ein schöner Tag, was für
ein schöner Lauf!!
Fast verpennt: Die 100-km-Marke!!! |
Herzlichen Dank an
Elke&Frank sowie alle Helfer!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Im Ziel warteten neben Elke und Frank und Chili con carne, ein Kuchenbuffett, Kohlehydrate in flüssiger Form, aber vor allem auch eine warme Dusche!
Gemütliches Beisammensein mit vielen Leckereien im Ziel |
Und wer mal so etwas erleben möchte, muss nicht 111km
laufen. Voraussichtlich Ende August veranstalten Elke und Frank den
Heideblüten-Marathon, Ausschreibung wurde am 11. Mai veröffentlicht. Eins ist sicher: Die Startplätze werden bald weg sein!
Stefan S.
Stefan S.