2015 3. Heidschnucken-Ultra 2015

Was wir hinter uns haben

Letztes Jahr noch beim „Bambini-Ultra“ auf dem Heidschnuckenweg in der Lüneburger Heide gestartet (50km), wurde dieses Jahr von Elke und Frank, den Veranstaltern, nur noch eine Distanz angeboten: 111km durch die Lüneburger Heide, von Soltau bis nach Hamburg-Eißendorf, bis auf die letzten 12km auf dem Heidschnucken-Fernwanderweg. Da der Lauf mit sehr viel Verständnis für Ultraläufer und viel Liebe zum Detail aber rein privat organisiert wird, liegt die Teilnehmerzahl bei ganzen 20 Läuferinnen und Läufer. Was für ein Kontrastprogramm zum Hamburg Marathon eine Woche vorher!!!
Wie immer wird nur das Nötigste eingepackt ;)
Eine Herausforderung war schon, das Richtige zu packen und den Drop-Bag, den ich bei Kilometer 60 deponieren lassen wollte, zu richten. Aber essentielle Dinge, wie etwa eine Hautschutzcreme wegen Wundreiben und ein Wecker (mein Start war in Soltau um 6 Uhr vorgesehen), durften auf keinen Fall fehlen! Und aufgrund meiner Erfahrung beim HK100, und auch die von Racebooker Danny, nahm ich noch eine Ersatz-Laufhose mit in den Laufrucksack. Wenn die nämlich unterwegs kaputt geht, kann das schmerzhaft werden und bei einem Ultra auch zum Abbruch führen.

Ja, überhaupt, nach dem DNF beim HK100 war für mich bei diesem Lauf, bei dem ich an einem Stück zum ersten Mal die 100km überwinden wollte, das Durchkommen und Erreichen des Ziels am Wichtigsten, um zukünftige Ultras einfach selbstbewusster angehen zu können. Ich liebäugelte noch mit einer Zeit von unter 16 Stunden, wusste aber, dass es knapp werden würde. Immerhin kannte ich die Strecke nun ganz gut, war letztes Jahr zwei Mal den Abschnitt von Soltau nach Buchholz gelaufen, und vor ein paar Wochen auch noch den Abschnitt zwischen Buchholz und Hamburg Eißendorf. So konnte ich mir hoffentlich ein paar zusätzliche Kilometer sparen, denn obwohl der Heidschnuckenweg gut markiert ist, gibt es doch so manche Gelegenheiten, vom Weg abzukommen und sich zu verlaufen.
Countdown zum 6-Uhr-Start
Da der Start in Soltau um 6 Uhr morgens am Samstag, den 2. Mai war, reiste ich bereits am Vortag per Heideexpress nach Soltau und übernachtete in einem Hotel in Startnähe. Morgens war es echt sehr frisch, gerade über 0 Grad, und nach und nach trudelten die Mitläufer ein.

Nicht ganz pünktlich, aber guter Dinge und voller Erwartung auf eine sehenswerte Strecke ging es 6:15 Uhr los. Erst durch den Kurpark von Soltau, dann an der Böhme entlang, am Heidepark vorbei, der noch auf Besucher wartete. Die schnellen Läufer waren bald schon weg, und auch ich war ganz gut unterwegs. Nach einer Stunde hatte ich die erste Wasserstelle bei Kilometer 11 erreicht, wohl wissend, sich keiner Illusion hinzugeben, ich könne diese Geschwindigkeit auch nur annähernd über den Tag hinweg halten.
Frühmorgens läuft's noch gut
Dann kamen die ersten Heideflächen, geniale Trails im Quellgebiet der Luhe, und in Bispingen, bei Kilometer 23, erwartet uns der erste Verpflegungspunkt mit geschmierten Frühstücksbrötchen, deren Menge und Belag man schon vorab bestellen konnte.
Schöne Trails in der Gegend der Luhequelle
Schäferdenkmal in Bispingen

1. Verpflegungspunkt in Bispingen: Frühstück!!!
Nördlich von Bispingen schon eins der landschaftlichen Highlights der Strecke, die Borsteler Kuhlen, dann ging es weiter am Brunausee vorbei, durch die Behringer Heide. Zwischen den Verpflegungsstellen gab es, unterstützt durch die örtlichen Gastronomen, immer wieder „Wasserstellen“, wo man sich erfrischen konnte. So nach und nach holte ich auch manche Mitläufer, die um 5.30 Uhr gestartet waren, ein, und man hatte ja immer etwas Zeit zum Quatschen dabei. Nach der Behringer Heide wieder ein langer, kontinuierlicher Anstieg, aber ich wusste, dass es bis zum Kilometer 40, in Niederhaverbeck, wo der 2. Verpflegungspunkt war, nicht mehr weit sein konnte. Hier hatte ich bei meinen Läufen durch die Heide übernachtet, von dort waren es noch etwa 40 Kilometer bis Buchholz.
Trail bei den Borsteler Kuhlen
In der Behringer Heide
Heidedorf Wilsede

Nach der Erfrischung ging der nächste Anstieg, auf den Wilseder Berg, der höchsten Erhebung der norddeutschen Tiefebene los. Das Wetter war lauftechnisch genial, trocken, bedeckt mit ein paar sonnigen Abschnitten, und nicht zu warm. Kurz noch die schöne Aussicht genossen, dann den „Berg“ wieder runter, durch das Heidedorf Wilsede durch, und den Pastor-Bode-Weg entlang, ein sehr schöner Streckenabschnitt im Radenbachtal.
Alter Schafstall am Pastor-Bode-Weg

Die Wanderer und Spaziergänger auf dem Wanderweg nahmen regen Anteil am Lauf, viele hatten sich schon bei den Läufern vor mir nach dem Wettkampf erkundigt und feuerten uns Heidschnuckenläufer tatkräftig an.
Ausblick im Radenbachtal
So langsam gab es doch immer wieder Gehpausen, aber ich war guter Dinge, bei so einem schönen Tag. Und schaute mir die Landschaft an und hin meinen Gedanken nach. In der Ferne ein paar Heidschnucken mit ihrem Schäfer. Wie hieß noch die Bibelstelle? „Der Herr ist mein Hirte, mir wir nichts mangeln“. Hier wurde mir das besonders deutlich, was hinter diesem Bild steckte. Wie sollte eine Heidschnucke im Flickenteppich von Heide, Wald und Feldern, durchzogen von Straßen und einer Bahnlinie, ohne Schäfer zurechtkommen? Gibt es da nicht Parallelen zu so einem Ultralauf, oder das eigene Leben, wenn es scheint, man hat „alles im Griff“, aber doch etwas dazwischenkommt?
Gawan und Herrmann, die Vorjahressiger, sind im Anmarsch
Kurz vor der Weseler Heiden reißen mich Gawan und Hermann, die zwei 7-Uhr-Starter, aus meinen Gedanken. Hatte erwartet, dass sie mich schon vorher überholen, aber, obwohl sie ja schon letztes Jahr den 111’er gelaufen sind, haben sie sich irgendwo gehörig verfranzt. Vor uns war die Weseler Heide, auch ein schönes Laufrevier. Und dann schließlich Kilometer 60, Undeloh-Wesel, wo es im Gasthaus Heidelust Mittagspause bzw. Pasta (oder Kraftbrühe) für die Heidschnucken-Läufer.
Bis hierher war ich zeitlich in meinem Plan, und auch die ersten Kilometer nach Wesel im Seevetal liefen super, aber dann bekam ich so ein Gefühl, als ob mir schlecht werden würde. Hatte ich zu schnell oder zu viel gegessen (oder beides?)? Daran ließ sich nichts mehr ändern, fühlte mich beim Gehen aber wesentlich besser. Also, doch besser einen Verdauungsspaziergang einlegen, als später vielleicht? Zudem ich ja auch die aufgenommenen Kohlehydrate verwerten wollte! OK, also doch Gehen, aber ich kam voran! Und nach 3 bis 4 Kilometer ging es mir wieder besser, und ich trabte wieder weiter.
Mittauspause im Gasthof Heidelust in Undeloh-Wesel

Seevetal
Trotzdem konnte ich am Verpflegungsunkt Holm-Seppensen kaum etwas essen, aber der Brunsberg und Buchholz waren nicht mehr fern. Dort in Buchholz gab es beim Ehepaar Pechtl die berühmteste „Wasserstelle“ des Heidschnuckenultras: Denn hier gab es bei weitem nicht nur Wasser! 

Nun ging’s in den letzten Abschnitt des Laufs, 85 Kilometer waren geschafft! Von der Fußgängerbrücke über die Bahngleise konnte ich sehen, dass demnächst wieder ein Metronom nach Bremen fahren würde, ließ mich dadurch aber nicht beirren.
Bahnhof Buchholz
Nördlich von Buchholz ging es kontinuierlich über Dibbersen und Nenndorf bergaufwärts in Richtung Harburger Berge. Nun musste ich doch meist gehen, aber die Stimmung blieb trotzdem gut. Den Sendemast in Langenrehm nahm ich zur Orientierung. Dort gab es den letzten Verpflegungspunkt. Und dort würden wir den Heidschnuckenweg in Richtung Harburg verlassen! Die tief stehende Sonne blinzelte noch durch die Laubwälder, und nach einem ausgiebigen Verpflegungsstopp (denn hier gab es die berühmten selbstgebackenen Müsliriegel!) an der 100km-Marke vorbei, durch die Ortschaften der Gemeinde Rosengarten (oh, ganz schön welliges Gelände hier), und ab Vahrendorf dann Richtung Harburg durch einen dunklen Waldweg, und dann noch die „Große Straße“ 2km entlang, und schliesslich dann nach 16 Stunden und 24 Minuten im Ziel! Hurra, geschafft! Was für ein schöner Tag, was für ein schöner  Lauf!!
Fast verpennt: Die 100-km-Marke!!!
Herzlichen Dank an Elke&Frank sowie alle Helfer!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Im Ziel warteten neben Elke und Frank und Chili con carne, ein Kuchenbuffett, Kohlehydrate in flüssiger Form, aber vor allem auch eine warme Dusche!
Gemütliches Beisammensein mit vielen Leckereien im Ziel
Und wer mal so etwas erleben möchte, muss nicht 111km laufen. Voraussichtlich Ende August veranstalten Elke und Frank den Heideblüten-Marathon, Ausschreibung wurde am 11. Mai veröffentlicht. Eins ist sicher: Die Startplätze werden bald weg sein!

Stefan S.