2017 Running with Jola

Was wir hinter uns haben

Running with Jola

Ein ganz normaler Dienstag.
Na ja, fast. Zunächst finden sich die Dienstagsläufer am Treffpunkt ein, ganz genau genommen 13,42 Meter neben dem vereinbarten Treffpunkt stehen alle zusammen und plaudern über allgemeine Themen. Alle? Nicht ganz, denn genau 13,42 Meter von der Gruppe entfernt steht einer ganz allein: Stefan S.!
Dieses Verhalten kennen wir schon. Man könnte sich ja wundern, würde man Stefan nicht kennen. Ihn als Einzelgänger zu beschreiben, das könnte zutreffen, schließlich ist es unser Ultra gewohnt, seinen Weg allein zu suchen und über weite Strecken die Einsamkeit zu erleben. Für ihn sind Regeln dabei sehr wichtig, da gehört ein Treffpunkt auf den GPS-Meter genau einfach dazu.
Und noch eine Besonderheit hielt dieser Dienstag bereit: Wir brauchten nicht auf Jola zu warten, mehr als pünktlich traf sie ein, es blieb genügend Zeit für jeden, Jola herzlich zu umarmen und zu begrüßen. Ein Ritual, auf dass man sich stets freut. Jola sollte die einzige Frau bleiben, das kommt schon mal vor, wenn auch selten.
Nun, es ging locker los. Stefan setzte sich erstmal ab, holte schnell 50 Meter Vorsprung vor der Gruppe raus.
Ich blieb hinter Jola, mein Blick viel auf ihre braungebrannten Beine. Meine Güte, bei dem bescheidenen Sommerwetter die Bräune so zu halten, ist da Chemie im Spiel? Jola verneinte, naturgebräunt.
Langsam sortierte sich die Gruppe, das Tempo war nicht unbedingt langsam, der 2. Kilometer zeigte tatsächlich 4:55 Minuten auf der Läuferuhr. „Das wird mir zu schnell“, eine weibliche Stimme neben mir. Da war was dran. So ging das nicht weiter.
Die üblichen Verdächtigen setzten sich nach vorne. Der Rüde Frank fing an, das Rudel zu ziehen. Stefan hielt nun konstant seinen erarbeiteten Abstand, 50 Meter, wir kamen einfach nicht näher. Die Gruppe zerlegte sich je nach Geschwindigkeit der einzelnen Mitläufer.
Ich entschied mich für die brauen Beine, genau wie Bernardo, dessen Hautfarbe von Natur aus bräunlich ist. Aber ich denke, dass nicht nur dieser Umstand dafür verantwortlich ist, dass es ihn zu den braunen Beinen hinzog.
Nun denn, bei mir lief es erstaunlich gut und ich ließ es die beiden Mitläufer auch spüren. Jola ließ nicht locker, hielt tapfer das Tempo. Bernardo hatte Flöhe in den Laufschuhen und musste unbedingt seine Tempoeinheiten durchziehen. Mal eben ganz nach vorne zu dem Rüden gelaufen, kein Ding für Bernardo. Dann wieder zurück zu den braunen Beinen und ein bisschen Smaltalk auf Bernardos unbeschreibliche Art, irgendwie versteht man ihn, die lockere Aneinanderreihung von Wörtern in Deutsch ergibt überwiegend einen Sinn und man kann auch darauf antworten. Und immer dieses charmante Lächeln von ihm, man kann sich seiner Freundlichkeit einfach nicht entziehen.
Zurück zu Jola, die nun merklich verzweifelte. Jeder Vorstoß, die Geschwindigkeit aus dem Lauf zu nehmen, schien irgendwie zu scheitern. Auch die schon verzweifelten Hinweise auf eine nach dem Lauf zu absolvierende Fahrradfahrt (5km) zum Elternabend brachten nicht den gewünschten Erfolg der Geschwindigkeitsreduktion, es blieb ihr Problem.
Bernardo sah zunehmend weniger entspannt aus, Augenringe bildeten und schlossen sich, Jola und ich empfahlen Enthaltsamkeit. 
„Ich laufe ohne Ohr“, der Versuch von Jola, die Sache anständig zu Ende zu bringen.
„Aber warum, wir sind so schnell, da hast du genug Zeit, auch noch das Ohr zu laufen, du kommst rechtzeitig zum Elternabend“, mal so eben angemerkt.
Jola merkte, hier ist eine Verschwörung im Gange. Der „50 Meter vor uns Mann“ ging plötzlich, seine Laufbewegung wich einem müde wirkenden Spaziergang. Das beflügelte uns natürlich, ha, vorbei an dem Ultra, kurz gefragt, ob alles in Ordnung ist, ging es weiter im gewohnten Tempo.
Dann die erste Steigung, nun zeigte sich schon mal, dass da in meinen Beinen was fault. Locker ging Jola die Steigung an, ich fiel um ein paar Meter zurück, Bernardo war jetzt kein Thema mehr, der lief jetzt außer Konkurrenz.
Jola und ich.
Zurück in der Ebene konnte ich wieder punkten. Es fühlte sich alles locker an, das Ohr kam in Sicht. Aber auch hier verwehrte mir eine Steigung den lockeren Einstieg in die Endrunde.
„Die Knie durchdrücken“, ein Tipp der braunen Beine. Was sollte das werden, davon hatte ich noch nie gehört. Vor sich auf den Boden gucken an der Steigung, ja, das kenne ich, aber Knie durchdrücken? Es deuteten sich Probleme an.
Die Ebene riss nicht alles wieder raus. Die Pace war konstant. Jola schwächelte nicht die Bohne. Mit Grausen dachte ich an die Brücke. Und da war sie auch schon. Meine persönliche Hölle auf der Strecke. Was ist los, wo bleib der Ehrgeiz? Früher waren es gerade die Steigungen, an denen wir uns gemessen haben. 
Und nun?
Locker wie eine Feder zog Jola an. Selbst verzweifeltes, hoffentlich Ansporn versprechendes Gebrüll meinerseits brachte rein gar nichts. Jola wurde langsamer, aber leider nur, weil sie auf mich warten wollte, welch eine Geste! Die kam richtig gut gerade…
Nun denn, irgendwann war ich oben. Jetzt kamen meine etwas längeren blassen Beine zum Einsatz, Brücke wieder runter, es lief! Meine Mitläuferin teilte mit, sie würde am Ende der Brücke nach links wegziehen. Ich verabschiedete mich und blieb mit dem Gefühl zurück, lange nicht so toll mit jemandem gelaufen zu sein. Mit meinem alten Kumpel Ludger gab es auch immer wieder mal solche Läufe, motivierend, inspirierend, schmerzverdrängend, einfach Laufen um des Laufens Willen. Danke Jola, ich habe mich mal darauf eingelassen, mit dir zu laufen. Und es war einfach ein Erlebnis. Wie ich mich kenne, kommt es nicht so schnell wieder vor.

Für Jola (und ein bisschen auch für Bernardo)
Olli