Was wir hinter uns haben
Running with Jola
Ein ganz normaler Dienstag.
Na
ja, fast. Zunächst finden sich die Dienstagsläufer am Treffpunkt ein, ganz
genau genommen 13,42 Meter neben dem vereinbarten Treffpunkt stehen alle
zusammen und plaudern über allgemeine Themen. Alle? Nicht ganz, denn genau 13,42
Meter von der Gruppe entfernt steht einer ganz allein: Stefan S.!
Dieses
Verhalten kennen wir schon. Man könnte sich ja wundern, würde man Stefan nicht
kennen. Ihn als Einzelgänger zu beschreiben, das könnte zutreffen, schließlich
ist es unser Ultra gewohnt, seinen Weg allein zu suchen und über weite Strecken
die Einsamkeit zu erleben. Für ihn sind Regeln dabei sehr wichtig, da gehört ein
Treffpunkt auf den GPS-Meter genau einfach dazu.
Und noch eine Besonderheit hielt
dieser Dienstag bereit: Wir brauchten nicht auf Jola zu warten, mehr als
pünktlich traf sie ein, es blieb genügend Zeit für jeden, Jola herzlich zu
umarmen und zu begrüßen. Ein Ritual, auf dass man sich stets freut. Jola sollte
die einzige Frau bleiben, das kommt schon mal vor, wenn auch selten.
Nun, es
ging locker los. Stefan setzte sich erstmal ab, holte schnell 50 Meter
Vorsprung vor der Gruppe raus.
Ich blieb hinter Jola, mein Blick viel auf ihre
braungebrannten Beine. Meine Güte, bei dem bescheidenen Sommerwetter die Bräune
so zu halten, ist da Chemie im Spiel? Jola verneinte, naturgebräunt.
Langsam
sortierte sich die Gruppe, das Tempo war nicht unbedingt langsam, der 2. Kilometer
zeigte tatsächlich 4:55 Minuten auf der Läuferuhr. „Das wird mir zu schnell“,
eine weibliche Stimme neben mir. Da war was dran. So ging das nicht weiter.
Die
üblichen Verdächtigen setzten sich nach vorne. Der Rüde Frank fing an, das
Rudel zu ziehen. Stefan hielt nun konstant seinen erarbeiteten Abstand, 50
Meter, wir kamen einfach nicht näher. Die Gruppe zerlegte sich je nach
Geschwindigkeit der einzelnen Mitläufer.
Ich entschied mich für die brauen
Beine, genau wie Bernardo, dessen Hautfarbe von Natur aus bräunlich ist. Aber
ich denke, dass nicht nur dieser Umstand dafür verantwortlich ist, dass es ihn
zu den braunen Beinen hinzog.
Nun denn, bei mir lief es erstaunlich gut und ich
ließ es die beiden Mitläufer auch spüren. Jola ließ nicht locker, hielt tapfer
das Tempo. Bernardo hatte Flöhe in den Laufschuhen und musste unbedingt seine
Tempoeinheiten durchziehen. Mal eben ganz nach vorne zu dem Rüden gelaufen,
kein Ding für Bernardo. Dann wieder zurück zu den braunen Beinen und ein
bisschen Smaltalk auf Bernardos unbeschreibliche Art, irgendwie versteht man
ihn, die lockere Aneinanderreihung von Wörtern in Deutsch ergibt überwiegend
einen Sinn und man kann auch darauf antworten. Und immer dieses charmante
Lächeln von ihm, man kann sich seiner Freundlichkeit einfach nicht entziehen.
Zurück zu Jola, die nun merklich verzweifelte. Jeder Vorstoß, die
Geschwindigkeit aus dem Lauf zu nehmen, schien irgendwie zu scheitern. Auch die
schon verzweifelten Hinweise auf eine nach dem Lauf zu absolvierende
Fahrradfahrt (5km) zum Elternabend brachten nicht den gewünschten Erfolg der
Geschwindigkeitsreduktion, es blieb ihr Problem.
Bernardo sah zunehmend weniger
entspannt aus, Augenringe bildeten und schlossen sich, Jola und ich empfahlen
Enthaltsamkeit.
„Ich laufe ohne Ohr“, der Versuch von Jola, die Sache anständig
zu Ende zu bringen.
„Aber warum, wir sind so schnell, da hast du genug Zeit, auch
noch das Ohr zu laufen, du kommst rechtzeitig zum Elternabend“, mal so eben
angemerkt.
Jola merkte, hier ist eine Verschwörung im Gange. Der „50 Meter vor
uns Mann“ ging plötzlich, seine Laufbewegung wich einem müde wirkenden Spaziergang.
Das beflügelte uns natürlich, ha, vorbei an dem Ultra, kurz gefragt, ob alles
in Ordnung ist, ging es weiter im gewohnten Tempo.
Dann die erste Steigung, nun
zeigte sich schon mal, dass da in meinen Beinen was fault. Locker ging Jola die
Steigung an, ich fiel um ein paar Meter zurück, Bernardo war jetzt kein Thema
mehr, der lief jetzt außer Konkurrenz.
Jola und ich.
Zurück in der Ebene konnte
ich wieder punkten. Es fühlte sich alles locker an, das Ohr kam in Sicht. Aber
auch hier verwehrte mir eine Steigung den lockeren Einstieg in die Endrunde.
„Die
Knie durchdrücken“, ein Tipp der braunen Beine. Was sollte das werden, davon hatte
ich noch nie gehört. Vor sich auf den Boden gucken an der Steigung, ja, das
kenne ich, aber Knie durchdrücken? Es deuteten sich Probleme an.
Die Ebene riss
nicht alles wieder raus. Die Pace war konstant. Jola schwächelte nicht die
Bohne. Mit Grausen dachte ich an die Brücke. Und da war sie auch schon. Meine
persönliche Hölle auf der Strecke. Was ist los, wo bleib der Ehrgeiz? Früher
waren es gerade die Steigungen, an denen wir uns gemessen haben.
Und nun?
Locker
wie eine Feder zog Jola an. Selbst verzweifeltes, hoffentlich Ansporn versprechendes
Gebrüll meinerseits brachte rein gar nichts. Jola wurde langsamer, aber leider
nur, weil sie auf mich warten wollte, welch eine Geste! Die kam richtig gut
gerade…
Nun denn, irgendwann war ich oben. Jetzt kamen meine etwas längeren
blassen Beine zum Einsatz, Brücke wieder runter, es lief! Meine Mitläuferin
teilte mit, sie würde am Ende der Brücke nach links wegziehen. Ich
verabschiedete mich und blieb mit dem Gefühl zurück, lange nicht so toll mit
jemandem gelaufen zu sein. Mit meinem alten Kumpel Ludger gab es auch immer
wieder mal solche Läufe, motivierend, inspirierend, schmerzverdrängend, einfach
Laufen um des Laufens Willen. Danke Jola, ich habe mich mal darauf eingelassen,
mit dir zu laufen. Und es war einfach ein Erlebnis. Wie ich mich kenne, kommt
es nicht so schnell wieder vor.
Für Jola (und ein bisschen auch
für Bernardo)
Olli