2017 24h-Lauf in Braunschweig

Was wir hinter uns haben

Nach einer nicht so optimal verlaufenen Laufsaison im Frühjahr 2017, mit einer nicht gezählten 5km-Runde beim 6-Stunden-Lauf in Münster, einem aufgrund von leichter Bronchitis unterdurchschnittlichen Marathonergebnis in Hamburg und einem erneut abgebrochenen Rheinsteiglauf wollte ich mich nach einer Regenerationspause im Sommer Ende August erneut eine läuferischer Herausforderung stellen: Einem 24h-Lauf!!!
Bei dieser speziellen Ultralaufdisziplin war nicht eine bestimmte Strecke, sondern eine bestimmte Zeit, nämlich genau 24 Stunden zu laufen. Die- oder derjenige, die/der in dieser Zeit die weiteste Strecke zurückgelegt hatte, hat gewonnen! Damit das nachvollziehbar war, wird in abgemessenen Runden gelaufen, und jede Runde gezählt. Dies ist zwar auch eine mentale Herausforderung, immer nur die gleiche Runde zu drehen, aber ich hatte derzeit keine Lust meinen Weg mittels Karte, GPS oder dürftiger Streckenmarkierung bei einem Landschaftslauf suchen zu müssen. Auch war bei einem 24h-Lauf das Potential, dass man sich verlaufen würde, sehr begrenzt. Mit die bekannteste Veranstaltung dieser Art im Raum Bremen ist der 24-Lauf in Delmenhorst Mitte Juni, aber da lief ich eben anderweitig.
Am letzten Augustwochenende (26./27.8.17) gab es sogar drei Veranstaltungen dieser Art, in Bottrop, in Seevetal und in Braunschweig. Meine Wahl fiel auf die Veranstaltung in Braunschweig(-Rüningen), da mir der Belag der zu laufenden Runde sehr entgegenkam (Tartanbahn, Rasen, Grandplatz) – auf Asphalt schmerzten am Ende doch meine Fußsohlen oft, und eine exakt vermessene Laufrunde von ganz genau einem Kilometer machten das Kilometerzählen zudem sehr übersichtlich, auch wenn man dann schon lange unterwegs war.
Begrüßung der Läufer am Sportzentrum Braunschweig-Rüningen
Schon kurz nach der Anreise nach Braunschweig-Rüningen merkte ich, dass es sich um eine sehr feine, vereinsorganisierte Veranstaltung handelte. Zugunsten des TSV Rüningens wurde Kaffee und selbstgebackener Kuchen verkauft, und nachdem ich mein Wurfzelt aufgebaut und meine Sachen im Zelt bzw. an der Strecke zum schnellen Auffinden positioniert hatte, füllte ich letztmalig vor dem Startschuss Kohlehydrate und Coffein auf.
Der Countdown zum Start läuft...
Der Countdown lief, das Teilnehmerfeld war bunt, und pünktlich um 15 Uhr fiel der Startschuss und es begann die „längste Nach von Braunschweig“. Vorneweg fielen drei Läufer auf, die ihre Runden zügig und wahrlich gazellenartig absolvierten: Sie gehörten dem Nationalteam der Kapverdischen Inseln an! Laut Durchsage hatten sie leider kein Visum für die Weltmeisterschaft im 24-Stunden-Lauf bekommen und hatten sich dann nach Alternativen mit offiziell vermessener Laufstrecke umgesehen und waren dann auf Braunschweig gekommen. Im Verlauf der 24h war es immer wieder unterhaltsam und interessant anzusehen, welche Aktivitäten im kapverdischen Betreuerzelt gerade stattfanden: Der Trainer war ständig damit beschäftigt, irgendwelche Power-Drinks anzurühren, den Gaskocher zu bedienen oder spezielle Energieriegel bereit zu halten.
Noch sieht der Rasen gut aus!
Das restliche Teilnehmerfeld war nicht so professionell unterwegs, aber die Bandbreite an Läufern war umso größer. Ich beobachtete auch viele Väter, die Runden zum Teil mit dem Nachwuchs liefen, oder auch eine Gruppe aus Oma, Mama und (Enkel-)Tochter. Zwischenzeitlich war auch eine Läuferin mit Baby-Jogger auf der Strecke, was aber nicht störte. Im Gegenteil, die Atmosphäre war sehr entspannt.
Mit dazu trug der Moderator bei, der am Mikrofon im am Rundenende zugange war. Die ersten zwei Stunden vergingen wie im Flug, ich kam ganz gut ins Laufen, schön gemächlich ohne unnötige Anstrengungen, damit ich möglichst lange so laufen konnte. Und einfach auch ausblenden konnte, dass ich nicht 24 Stunden lang laufen würde, sondern immer nur einigermaßen beherrschbare Abschnitte von drei Stunden.
Die Runde kannte man natürlich bald in- und auswendig: Erst der Rasenabschnitt durch die Zeltstadt (wo sich auch mein Zelt befand und ich mir meine eigene Verpflegung an der Strecke gerichtet hatte), dann eine Runde auf einem Bolzplatz, dann wieder auf dem Rasen der bereits gelaufenen Geraden entgegen, dann rund 300m auf der Tartanbahn, und dann schließlich im Ziel, wo die gelaufenen Runden mittels am Fuß befestigten Transponders gezählt wurden. Unmittelbar danach gab es die Verpflegung und auch eine Übersichtsmonitor mit den Daten der Läufer, die gerade die Rundenmessung passiert hatten.
Der Abschnitt auf dem Bolzplatz
Die Musik, die der Moderator auflegte, lenkte mich von den 24 Stunden ab. „Besuchte“ gedanklich die Abschnitte in meinem Leben, die zu den Songs passten. Blümchen war ein Mädchen, als ich gerade Ausbildung machte, Lou Bega war mit seinem Mambo No. 5 im Jahr 2000, als ich ein Praktikum in Bangalore in Südindien machte, auch live dort, und zu meinen Grundschulzeiten flog der Gruppe Spliff das Blech weg.
300m Tartanbahn... Schonend für die Fußsohlen!
Irgendwie verpasste ich dabei das Abendessen oder hatte es zumindest beim Verpflegungsstand nicht mitbekommen. So nahm ich einen meiner Riegel zu mir, um nicht in den Hunger reinzulaufen. Getrunken habe ich regelmäßig immer wieder, aber kleine Portionen.
Für Unterhaltung und etwas Abwechslung für Läufer und Angehörige war gesorgt, abends interpretierte eine Blaskapelle aktuelle Hits. Noch dazu gab es Torwandschießen und ein „Bubble-Fußball-Spiel“. Etwas störend empfand ich den 10-km-Lauf, der auch im Rahmen des 24-Laufs stattfand, weil das doch von den Geschwindigkeiten gar nicht so passte, aber da hatten wohl die Kurzstreckenläufer mehr mit zu kämpfen.
Nach den ersten sechs Stunden musste ich mich von meinen Laufplänen verabschieden. Noch dazu merkte ich, dass ich mich eventuell wund laufen würde und wechselte die Laufhose, probierte die Creme gegen Wundlaufen aus, die Olli, der ehemalige Spartenleiter der SG Stern Laufgruppe, mir empfohlen hatte.
Um 24 Uhr, nach 9 Stunden, als auf der Laufrunde schon etwas Ruhe eingekehrt war, folgtem ein Feuerwerk und ein regelrechter Run auf die Strecke: Es war der Moonlight-Run angesagt, und alle Läufer, die zwischen 0 und 4 Uhr mindestens 15km hinter sich legen würden, bekamen ein Laufshirt. Sehr gute Idee, und wieder etwas Abwechslung!
Etwas mehr Abwechslung als mir lieb war brachte ein nächtliches Gewitter. Ich entschied mich, unter dem Vordach des Stadiongebäudes Unterschlupf zu suchen, sodass ich nicht voll durchnässt werden würde. Zwar hätte ich locker weiterlaufen können, aber das könnte sich später (wie letztes Jahr auf dem Rheinsteig) rächen und wenn man erstmal wund gelaufen war, half nicht mehr viel. Die Pause tat mir auch gut, der Platzwart mit seinen trockenen Kommentaren sorgte für Stimmung und das Gewitter verzog sich.
Allerdings folgten Magenprobleme. Mein Magen fühlte sich wie versteinert an. Mittlerweile hatte ich gut 70 Kilometer hinter mich gebracht. Ich überlegte mir, langsam weiterzulaufen, die 100km voll zu machen und dann, falls es nicht besser werden würde, sonntags vormittags nach Bremen zurückzureisen. Am Verpflegungsstand gab es Backofenkartoffelecken mit Salz. Ich probierte eine, und mein Magen fühlte sich an, als wollte er explodieren. Ich hatte gehofft, das Salz und die Kohlehydrate würden helfen. Nur langsam halfen sie, aber dann auch "richtig": Mein Magen hatte sich tatsächlich nach ein paar Salzkartoffeln beruhigt, nach einer weiteren, gewitterbedingten Pause lief es dann am frühen Morgen umso besser.
Zusätzlichen Auftrieb gab auch die Anzeigetafel bei der Verpflegung. Mittlerweile war ich in meiner Altersklasse (zum Glück bestand das Nationalteam von Kap Verde aus jungen Hüpfern) auf Rang 4 vorgerückt, da durfte man doch nicht aufhören! Seit langem träumte ich davon, einmal einen Pokal bei einem Laufwettbewerb zu erstreiten. Aber natürlich hatte ich keine Übersicht, wie viel Abstand ich zu den Läufern vor mir hatte.
So langsam wurde es wieder hell. Durch die kontinuierliche Bewegung hatte ich (abgesehen von der 2. Gewitterpause) nicht mit Müdigkeit zu kämpfen, mein Zelt und den Schlafsack hatte ich sowieso nur als Plan B mitgenommen. Und mit dem Morgen lief mein Biorhythmus an und ich konnte pro Stunde noch 6 bis 7 Runden absolvieren, womit ich zufrieden war.
Zumal ich auf um 9 Uhr morgens auf Platz 3 der Altersgruppe (von 40-59) vorrückte. Und kurz darauf noch auf Platz 2! Wahrscheinlich hatten sich zwei vor mir hinlegen müssen oder hatten pausiert! Wie bei jedem Rennen: „Hinten ist die Ende fett“, da werden Rennen entschieden! Jetzt aber nur nicht übermütig werden, und kontinuierlich weiterlaufen. Beziehungsweise gehen. Ich legte nur noch bestimmte Abschnitte der Runde im Laufschritt zurück, mehr ging nicht. Frühstück gab es bei der Verpflegung, die belegten Brötchen taten mir gut!
Josè Daniel Vaz Cabral von den Kapverdischen Inseln nach 200km im Ziel
Bei strahlendem Sonnenschein und wenig Schatten hatte ich bei jedem Passieren der Anzeigetafel die Angst, wieder einen Platz nach unten zu rücken und am Ende doch nicht auf dem Treppchen zu stehen. Ich konnte mein Tempo von gut 6 km/h noch halten und dann, ja, dann, war es geschafft, ich hatte nach 24 Stunden mit 150 Kilometern meinen 2. Platz in der Altersgruppe verteidigt und konnte zum ersten Mal auf dem Treppchen stehen. OK, die Läufer aus Kap Verde kamen auf 200km und der erste in meiner Altersklasse lief gerade mal eine Runde mehr, aber das machte gar nichts. Ich freute mich riesig (und nahm in meinem schönsten T-Shirt an der Siegerehrung teil)!!!
Hurra: Mein erster Pokal!!! 2. Platz in der Altersgruppe, 150km in 24 Stunden...
Und so ging es nach der Siegerehrung (und nach dem beschwerlichen Abbau meines Zeltes mit zum Teil durchweichten Sachen) wieder zurück nach Bremen. Vielen Dank an die Veranstalter und das tolle Orga- und Verpflegungsteam!!!
Stefan S.