Was wir hinter uns haben
Nachdem ich letzes Jahr nach etwa der Hälfte der Strecke des WiBoLT's aufgeben musste, rief auch dieses Jahr zum Abschluss der Frühjahrs-Lauf-Saison der Rhein...STEFAN!!!
4. WiBoLT 2016
Insgesamt war ich zwar nicht in der gleich guten Form wie letztes Jahr, dazu hatte ich in letzter Zeit sowohl beruflich als auch privat einiges, zum Teil Unangenehmes aber auch viel Schönes, um die Ohren. Aber ich hatte auch einiges an Erfahrung bezüglich längerer Ultras mit einem großen Eigenverpflegungsanteil gewonnen, eine bessere Streckenkenntnis (den zweiten Teil des Rheinsteigs bin ich weitgehend mit meinem Lauffreund Winfried vor Ostern abgewandert) und auch bessere bzw. passendere Ausrüstung. Leider war Winfried dieses Jahr nicht beim WiBoLT mit dabei, er konzentrierte sich läuferisch auf den Deutschlandlauf und ich habe ihn am Rhein vermisst.
Start
für die 320km war Mittwoch, 14.06.17, um 18 Uhr in Wiesbaden (die Extended
Combined Version mit 555km war bereits seit Montag unterwegs) und wieder war
für ein Live-Tracking gesorgt (was einige der Laufgruppe auch verfolgten, was
mich sehr gefreut hat!).
Ziel
für mich war "einfach" nur das Finishen, d.h. am Sonntag um 12 Uhr,
d.h. nach 90 Stunden für die 320km gut 11.000 Höhenmeter, musste ich dann in
Bonn sein. Ich wolltee mir alle Mühe geben, aber gereicht hat's trotzdem nicht.
Der Rhein ruft... Am Start in Wiesbaden-Biebrich |
Der
Mittwoch, der Tag des Starts, war sonnig, die Anreise per Zug von Bremen nach
Wiesbaden verlief entspannt und vom Bahnhof Biebrich zum Start war es nur Rund
eine Viertelstunde zu Fuß.
Läuferbriefing durch Veranstalter Michael Eßer |
Am
Start sammelten sich immer mehr Läufer, nahmen ihre Startnummer entgegen, zogen
sich um und befestigten den Live-Tracker. Schliesslich gab es noch ein kurzes
Läuferbriefing durch "Mr. WiBoLT" Michael Eßer und dann wurden die
Läufer auf die Strecke geschickt.
Gazellenherde in den Weinbergen über Wiesbaden |
Gerade
in Wiesbaden hatte ich noch eine gute Erinnerung an die Strecke und die Gefühle
vom letzten Jahr. Vergleichbar langsam wurde losgetrabt und ich blieb lange in
einer Gruppe von Läufern, als wir die Weinberge des Rheingaus erklommen.
Irgendwo im Rheingau |
Der
erste Verpflegungspunkt im Kurort Schlangenbad war nach nicht mal 18 Kilometer
erreicht, das sagte noch nichts aus. Ich hatte mir, basierend auf meinen
Datenaufzeichnungen aus dem letzten Jahr, einen Plan gemacht, bis wann ich etwa
bei welchem Verpflegungspunkt sein wollte und wie lange ich mich dort ausruhen
konnte. OK, war im Plan, aber es waren ja noch 300km zu laufen und der
schwierige Teil ging ja erst ab Rüdesheim los, also weiter (trotzdem aber auch
ein Dank an das Team vom Verpflegungspunkt Schlangenbad!).
VP 1 in Schlangenbad |
Von
Schlangenbad ging es dann in die Nacht und in den mit 37 Kilometern längsten
Abschnitt ohne Verpflegungspunkt. Aber die Nacht war unterhaltsam, ich hatte
fast immer läufereische Begleiter, die Strecke war abwechslungsreich, an
Klöstern vorbei, mit tollen Ausblicken von den Anhöhen des Rheingaus auf
schlafende Winzerdörfer und den Rhein. Bisweilen überholten wir Teilnehmer der
"Extended Combined Version", bei der satte 555 Kilometer zu laufen
waren.
Blick vom Niederwalddenkmal in Rüdesheim auf Bingen am Rhein |
Beim
Verpflegungspunkt in Rüdesheim mit Blick auf Bingen am Rhein genoss ich die
Aussicht, war aber etwas in Sorge, da schon der Morgen dämmerte - das Dämmern
sah ich letztes Jahr an dieser Stelle noch nicht, war aber dennoch im Zeitplan.
Auch hatte ich Appetit und weiter ging es alleine, da mein Begleiter noch etwas
am VP bleiben wollte.
Blick auf den Rhein |
Von
nun an wurde es bergig, der Rheinsteig nimm jedes Seitental mit, und so würden
dann irgendwann hoffentlich 11.700 Höhenmeter zustande kommen. Oben wurde man
jedoch immer mit schönen Ausblicken auf den Rhein mit seinen Ausflugsdampfern
sowie vielen Burgen belohnt.
Nicht immer war es so eben und schattig |
Es
wurde war, sehr warm! Gegen Nachmittag merkte ich, dass ich mein Tempo vom
letzten Jahr nicht halten konnte. Die Sonne brannte bei jedem Aufstieg auf den
Rücken und ich musste eine Entscheidung bezüglich meiner ersten längeren Rast
mit Schlafpause machen. Die ursprüngliche Planung war, in Oberkestert bei
Kilometer 136 (wie letztes Jahr) ein paar Stunden zu schlafen, aber ich kannte
die Anstiege, die zwischen der Loreley und Oberkestert noch zu überwinden
waren, und das wollte ich lieber bei angenehmeren Bedingungen in Angriff
nehmen. Also nahm ich doch den Stopp an der Loreleyschule, wo eine Turnhalle
mit Matten zum Schlafen, Duschen und ein Vorraum mit der Verpflegung und aufmunternden
Worten der Helfer zur Verfügung standen.
In
der Ferne war Gewittergrummeln zu hören, und man merkte schon, dass sich die
Temperaturen abkühlten.
Nach
zweieinhalb Stunden Schlaf machte ich mich mit einem Laufkollegen um 22 Uhr
wieder auf in die Nacht. Erst ein langer Abstieg von rund 150 Höhenmetern nach
St. Goarshausen, dann praktisch wieder alle Höhenmeter nach oben, zum
Vierburgenblick (die Burgen waren sehr schön beleuchtet), und dann gleich
wieder runter, und wieder hoch. Oberkestert schien nicht zu 'kommen', meinen
Laufkollegen plagten Blasen. So lange hatte ich doch die Strecke nicht in
Erinnerung?
Ab
Oberkestert, gestärkt durch eine ordentliche Portion Pasta, ging es dann
alleine weiter. So im Großen und Ganzen war ich fast wieder im Plan, hatte ja
nur einen VP früher als letztes Jahr geschlafen.
Nach
nur 12 Kilometern kam Kamp-Bornhofen, wo letztes Jahr ein Verpflegungspunkt,
aber dieses Jahr nur eine "Wasserstelle" war. Aber man sparte sich
den Umweg zu dem VP. Hier kam nun endlich, bei dem Örtchen Filsen, die größte
Rheinschleife und man konnte einige Zeit relativ eben laufen. Hier hatte ich
mir letztes Jahr im kontinuierlichen Landregen auf den schmalen Pfaden bei
hohem, nassen Gras links und rechts einen bösen Wolf gelaufen. Dieses Jahr war
es trocken und das Gras war gemäht.
Braubach und damit Kilometer 160 in Sicht |
Ein
neues Problem war in den beiden mehr oder weniger durchgelaufenen Nächten
aufgetaucht: Obwohl sparsam eingesetzt, hielten die Batterien für die
Stirnlampe nur eine Nacht durch. Ich brauchte neue Batterien!!! Wieder war eine
Entscheidung zu treffen, in Braubach, bei Kilometer 160, war neben dem
Verpflegungspunkt im Rathaus ein Supermarkt, da würde ich Nachschub besorgen.
Aber dadurch auch etwas (im Endeffekt etwa eine Viertelstunde) an dringend
notwendiger Ruhepause verlieren.
Nach
etwas Schlaf ging es dann wieder weiter. Ich hatte nun auch mein Minimalzahl
erreicht: Mindestens so lang zu laufen, wie letztes Jahr. Nun stand nach der
Überquerung der Lahn die urige Rupertsklamm an, ein enge, felsiges Bachtal, in dem auf rund 2
Kilometern 235 Höhenmeter zu überwinden waren.
Am VP Lahnstein (Kilometer 171) |
Am
Ende der Klamm warteten Mitarbeiter vom Tourismusbüro Lahnstein. Der Verpflegungspunkt
war für mich einer der Höhepunkte des WiBoLTs, sowohl was Versorgung als auch
Motivation angeht!
Weiter
ging's, nur wenige Minuten vor mir war Petra und ich wollte nicht so gerne
alleine laufen, gerade, wenn wieder die Nacht anstand. Noch war es aber nicht
soweit und nach einigen weiteren Steigerungen erreichte ich schließlich
Koblenz, erklamm die Festung Ehrenbreitstein und holte schließlich auch Petra
ein. Ich war aber doch so langsam unter zeitlichem Druck, morgen, am Samstag um
6 Uhr, musste ich den VP Feldkirchen (bei Neuwid, Kilometer 231) wieder
verlassen haben und der nächste Verpfelgungspunkt Vallendar kam und kam nicht,
die Strecke zog sich wie Kaugummi. Noch dazu hatte ich es so in Erinnerung,
dass es um Neuwid relativ flach war. War es vielleicht auch, aber es gab
trotzdem einige tiefe Bachtäler mit tüchtigen Steigungen von jeweils rund 100 Höhenmetern.
Gerade
noch, bevor der Verpflegungspunkt in Vallendar abgebaut wurde, kamen wir an.
Nach uns waren jedoch noch eine Reihe anderer Läufer, aber die letzten 27
Kilometer zwischen Lahnstein und Vallendar hatten sich für mich gezogen. Der lange Abstand zwischen den Verpflegungspunkten wurde gerade bei langsamen Vorwärtskommen zu einer mentalen Herausforderung! Zudem
war ich trotz ausgiebiger Schmiererei an den neuralgischen Stellen etwas
wund gelaufen, aber zum Glück bei weitem nicht so schlimm wie letztes Jahr.
Langsam
wurde es Nacht, aber ich musste Petra ziehen lassen, da ich dann noch Durchfall
bekam und länger austreten musste. Kurz vor Rengsdorf bekam ich dann auch
mental die Krise, ich schien gar nicht voran zu kommen, hatte auch keine Kraft
mehr und mein Körper schien keine Nährstoffe aufgenommen zu haben. Als dann
endlich Rengsdorf in Sicht war, war mir klar, dass ich es nicht schaffen würde.
Eventuell gerade noch rechtzeitig bis nach Feldkirchen, aber aufgrund der
Cut-Off-Zeit ohne die Möglichkeit, dort zu schlafen und seit Mittwoch Abend
hatte ich knapp 3 Stunden geschlafen. Und jetzt war immerhin...was für ein Tag denn??? Äh, ah, Freitag, kurz vor Mitternacht. Cut-Off in Feldkirchen war in gut 6 Stunden, aber noch war ich noch nicht an der Verpflegung in Rengsdorf, von der ich wusste, dass sie am anderen Ende des Orts war, bis dahin brauchte ich auch noch Zeit. Ich würde zu wenig Schlaf in Feldkirchen bekommen.
Ich
entschied mich dann auszusteigen und eine Ablkürzung zum Verpflegungspunkt zu nehmen. Diesmal fiel die Entscheidung umso härter,
weil es nicht so ganz eindeutig war, ohne den Durchfall und mit etwas mehr Schlaf in Aussicht hätte (hätte, Fahrradkette) ich es wohl noch probiert. Aber immerhin hatte ich meinen persönlichen
Rekord über meine längste am Stück gelaufene Distanz auf rund 215 Kilometer
erhöht. Vielleicht ruft der Rhein nächstes Jahr ja erneut? Warten wir es ab!
Stefan
S.